Immer öfter müssen Arztpraxen mangels Nachfolger geschlossen werden. Oft stellt sich dann die Frage, wer in diesem Fall die zum Teil umfangreichen Patientenakten-Bestände solcher Praxen in Verwahrung nimmt. Diese Frage beschäftigte in einer aktuellen Entscheidung das Oberverwaltungsgericht (OVG) Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 5. Februar 2024, 2 M 337/23 OVG).

Der in einem Eilverfahren ergangenen Entscheidung lag die Forderung eines Hausarztes nach Übernahme seiner Patientenakten durch die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern zugrunde. Die Praxis musste krankheitsbedingt geschlossen werden. Für den erkrankten Hausarzt war aufgrund der Schwere seiner Erkrankung sogar ein gerichtlicher Betreuer bestellt. Das Heilberufsgesetz Mecklenburg-Vorpommern weicht dabei insoweit von den sonst üblichen landesrechtlichen Regelungen ab, als die dortige Ärztekammer in engen rechtlichen Grenzen sogar zur Übernahme von Patientenakten ihrer Mitglieder verpflichtet sein kann. Die einschlägige Regelung lautet:

»Aufgaben der Kammern sind … 14. zur Wahrung der Interessen des Gemeinwohls und unter Beachtung der Rechte der Patienten die Patientenakten ihrer niedergelassenen Kammermitglieder für die Dauer der Aufbewahrungspflicht in Obhut zu nehmen und den Patienten Einsicht zu gestatten, sofern die Aufbewahrung und die Gestattung der Einsichtnahme nicht durch die niedergelassenen Kammermitglieder oder auf andere Weise gewährleistet ist.«

Die Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern bekräftigt: Selbst bei Bestehen einer derartigen besonderen gesetzlichen Grundlage für die Aktenübernahme durch die Ärztekammer besteht nur in absoluten Ausnahmefällen ein Rechtsanspruch des Arztes auf Übernahme seiner Patientenakten. Allein die Tatsache, dass eine Praxis innerhalb sehr kurzer Frist geschlossen werden muss, der Inhaber schwer erkrankt oder gar ein Betreuer bestellt ist, rechtfertigt die Übernahmeverpflichtung der Ärztekammer nicht – auch nicht nach der besonderen Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern.

Das wirft die Frage auf, wie in vergleichbaren Situationen allgemein zu verfahren ist.

Aus § 630f Abs.3 BGB folgt die Verpflichtung des niedergelassenen Arztes, seine Patientenakten mindestens bis zum Ende der gesetzlichen Verwahrungsfrist zu verwahren und Patienten bei entsprechendem Verlangen Einsicht in die sie betreffenden Patientenakten zu gewähren. Diese Pflicht endet nicht mit der Schließung der Praxis, gleich aus welchem Grund sie erfolgt. Verstirbt der Praxisinhaber, so wird die Verpflichtung zur Verwahrung der Patientenakten »vererbt«. Sind die Erben zunächst nicht bekannt, so ist gegebenenfalls ein gerichtlicher Nachlasspfleger zu bestellen. Die Kosten der Aktenverwahrung treffen auch nach Schließung der Praxis den Arzt bzw. im Todesfall seine Erben. Anders als in Mecklenburg-Vorpommern, wo dies gegebenenfalls tatsächlich ausnahmsweise einen Grund für die Übernahme der Patientenakten durch die Ärztekammer darstellen kann, entfällt die Verwahrungspflicht auch im Fall der Mittellosigkeit des Arztes oder seiner Erben nicht. Insbesondere geht sie auch in diesem Fall nicht auf ärztliche Selbstverwaltungskörperschaften über.

Sachgerecht kann es in diesem Fall sein, den Papier-Akten-bestand zunächst zu reduzieren, indem nicht mehr der gesetzlichen Verwahrungspflicht (in der Regel zehn Jahre ab Ende der Behandlung) unterliegende Patientenakten datenschutzkonform vernichtet werden. Diese Entscheidung stellt aber ein »zweischneidiges Schwert« dar: die Verjährungsfrist für die Haftung des Arztes aus Behandlungsfehlern kann sich auf einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren ab dem Ende der Behandlung erstrecken. Für den Fall einer sehr spät erfolgenden Inanspruchnahme fehlt bei Vernichtung der Patientenakte dann das zentrale Beweismittel für die streitgegenständliche ärztliche Behandlung. Angesichts der relativen Seltenheit solcher sehr späten Inanspruchnahmen von Behandlern wegen vermeintlicher Behandlungsfehler kann und wird die Abwägung aber folglich häufig zugunsten der Aktenvernichtung nach Ablauf der Verjährungsfrist ausgehen dürfen.

Auch bei der vermeintlich einfachen Verwahrung ausschließlich elektronisch geführter Patientenakten ist eine Besonderheit zu beachten: Hier ergeben sich zwar in der Regel keine Platzprobleme. Es muss aber mindestens eine Lizenz der Praxisverwaltungssoftware und ein geeigneter Computer / Datenträger vorgehalten werden, um etwaige Einsichtsverlangen von Patienten in angemessener Frist erfüllen zu können. Zudem ist es in diesem Fall sinnvoll (und geboten) für eine ordnungsgemäße Sicherung der Daten Sorge zu tragen, damit die Daten auch für den Fall einer Beschädigung des originalen Datenträgers (oder der darauf gespeicherten Datenbank) noch zur Verfügung stehen. Hier kann es zudem geboten sein, sich durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen zu vergewissern, dass ein Zugriff auf die gespeicherten Daten noch möglich ist.