Durch ein höchstrichterliches Urteil des Bundessozialgerichtes vom 14. Juli 2021 (B 6 KA 15/20 R) ist die Streitfrage geklärt, ob die Genehmigung einer Entlastungsassistenz nur für Kinder bis zur Vollendung des 8. oder 14. Lebensjahres möglich ist. Diese von einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen vertretene Rechtsauffassung hat das Bundessozialgericht abgelehnt. Beide Vorinstanzen hatten ebenso geurteilt, die betroffene Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, deren nach seiner Vertragsärztinnen ergangener Bescheid angefochten worden war, hatte die Angelegenheit – erfolglos – durch drei Instanzen geführt.

Wenn in § 32 Abs.2 Satz 2 Nr.2 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) von der „Erziehung von Kindern“ die Rede ist, so handelt sich dabei nach der nun ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung um „Menschen bis zur Volljährigkeit“. Eine Eingrenzung der Genehmigung einer Entlastungsassistenz auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes – wie sie im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für die Elternzeit vorgesehen ist – oder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres – wie sie beispielsweise im Strafrecht für die Unterscheidung zwischen Kindern und Jugendlichen Anwendung findet – ergibt sich nach Auffassung der Richter des Bundessozialgerichtes aus § 32 Ärzte-ZV nicht und kann der Vorschrift auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden. Es ist danach Sache des Normgebers, die Regelung einzuschränken, wenn er den Rahmen mit dem Eintritt der Volljährigkeit für zu weit gezogen hält.

Wichtig ist auch die Klarstellung des Bundessozialgerichtes, dass die Zeit von 36 Monaten, für die eine Entlassungsassistenz genehmigt werden kann, nicht unabhängig von der Zahl der Kinder zu verstehen ist. Ein solches Verständnis hätte zur Folge, dass bei der Geburt eines weiteren Kindes nur noch die zeitliche Differenz zwischen der bereits in Anspruch genommenen Entlastungsassistenz und 36 Monaten genehmigungsfähig wäre. Diese Rechtsauffassung ist nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes gleichfalls nicht mehr haltbar. Einer Vertragsärztin / einem Vertragsarzt muss danach die Möglichkeit des Einsatzes einer Entlastungsassistenz über die Dauer von 36 Monaten für jedes Kind zur Verfügung stehen; es wäre nicht vertretbar, eine Vertragsärztin / einen Vertragsarzt, die / der 24 Monate für das erste Kind in Anspruch genommen hat, nach der – möglicherweise in größerem zeitlichen Abstand erfolgten – Geburt des zweiten und eventuell weiterer Kinder darauf zu verweisen, nur noch für insgesamt zwölf Monate eine Entlastungsassistenz in Anspruch nehmen zu können.

Die genehmigungsfähige Dauer der Entlastungsassistenz beträgt mithin 36 Monate pro Kind. Eine Einschränkung gilt nur insoweit, als Zeiten der Assistenz, in denen mehrere Kinder gleichzeitig erzogen werden, nicht fiktiv allein einem Kind zugeordnet werden können: Wird das zweite Kind geboren, bevor 36 Monate für das erste Kind in Anspruch genommen wurden, stehen dem Elternteil danach noch einmal 36 Monate für das zweite Kind zu, nicht aber 36 Monate zuzüglich der „unverbrauchten“ Monate für das erste Kind. Die Entscheidung des Bundessozialgerichtes macht es endlich den Eltern von „Teenagern“ möglich, ohne Konflikte mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Entlastungsassistenz in Anspruch zu nehmen. Sie hat eine dankenswerte Klärung der Rechtslage herbeigeführt und ist in jeder Hinsicht zu begrüßen.